Experimentieren
Ein Experiment ist eine „planmäßige, grundsätzlich wiederholbare Beobachtung unter künstlich hergestellten, möglichst veränderbaren Bedingungen“ (Regenbogen et al., 1998, S. 213). Das Ziel eines Experiments besteht darin, Hypothesen zu kausalen Zusammenhängen zwischen den an einem Prozess beteiligten Faktoren zu überprüfen (Grupe, 1977). Hierfür werden (mindestens) zwei fast identische Aufbauten (Ansätze) benötigt. Die Ansätze unterscheiden sich nur darin, dass die zu untersuchende Variable (unabhängige Variable, UV) variiert wird. Alle anderen Variablen werden konstant gehalten. Durch den Vergleich der Ansätze können Rückschlüsse auf die Wirkung der unabhängigen Variable (UV) auf die zu beobachtende Variable (abhängige Variable, AV) gezogen und damit Hypothesen überprüft werden. Zusammenfassend ergeben sich folgende fünf Merkmale für ein Experiment (verändert nach Bäuml-Roßnagel, 1979; Otto, 2003):
1. Es handelt sich um eine planmäßige Beobachtung,
2. das Ziel ist die Überprüfung eines kausalen Zusammenhangs zwischen zwei Variablen,
3. es erfolgt eine Variation der unabhängigen Variablen in mindestens zwei Ansätzen,
4. alle anderen Variablen werden konstant gehalten und
5. ein Experiment ist stets reproduzierbar.
In der Geographiedidaktik zählen Experimente klassisch zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnismethoden bzw. den experimentellen Arbeitsweisen (Lethmate 2006). In den letzten Jahren werden vermehrt aber auch Unterrichtsbeispiele mit sozialwissenschaftlichen Experimenten publiziert. In der Regel werden beim Experimentieren fünf Schritte durchlaufen, wobei diese in der Literatur mitunter unterschiedlich benannt und zusammengefasst werden (Emden & Sumfleth, 2012):
Schrittfolge
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Als zusätzlicher Schritt bietet sich anschließend eine Metareflexion mit einer kritischen Betrachtung des experimentellen Vorgehens an. Im Rahmen von Exkursionen können in Abhängigkeit der Lernvoraussetzungen der Lernenden bzw. der zur Verfügung stehenden Zeit einzelne Schritte vorgegeben oder in die Vorbereitung bzw. Nachbereitung der Exkursion integriert werden. Dies gilt es, vor allem vor dem Hintergrund der Komplexität der Methode und der häufig auftretenden Fehler seitens der Lernenden, zu beachten (Peter, 2017). Daneben werden mit dem Einsatz von Experimenten ebenso organisatorische, materielle und finanzielle Herausforderungen verbunden (Höhnle & Schubert, 2016).
Auch wenn Freilandexperimente (mitunter auch Naturexperimente genannt) in der Klassifikation von Experimenten explizit aufgeführt werden (Wilhelmi, 2000), gibt es bislang in der fachdidaktischen Exkursionsliteratur kaum Beispiele für (definitorisch „echte“) Experimente, die in Exkursionsbeispiele integriert sind. Dies könnte unter anderem darin begründet sein, dass im Gelände kontrollierte Bedingungen weitaus schlechter zu erreichen sind als im Labor (oder Klassenraum). Dennoch lassen sich einige publizierte Beiträge zu Experimenten in der geographiedidaktischen Literatur relativ einfach (d. h. ohne großen Materialaufwand bei gleichzeitig guter Sichtbarkeit) auf die Arbeit im Gelände transferieren. Beispiele hierfür wären bspw. Experimente zum Einfluss a) der Bodenversiegelung auf die Infiltrationsrate von (Regen-)Wasser (Althoff et al., 2021), b) der Farbe von Bodenoberflächen auf die Erwärmung dieser (Wittlich, 2012), c) von Flussbegradigungen auf die Fließgeschwindigkeit (Obermann, 1997) oder d) der Korngröße auf die Wasserspeicherkapazität (Schöps & Fuss, 2018).
Literatur
Althoff, J., Fögele, J., & Mehren, R. (2021). Geobox Überschwemmung – Schwerpunkt „Modellkompetenz“, Lehrkräftehandreichung Gymnasium. https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/geographiedidaktik2/geobox_-_uberschwemmung_-_lehrkraeftehandreichung_-_haupt-_und_realschule.pdf
Bäuml-Roßnagl, M.-A. (1979). Das Experiment im Sachunterricht der Grundschule: Umweltorientiertes, wissenschaftsorientiertes, schülerorientiertes Lernen durch Experimentieren (Prögel-Bücher: Bd. 80). Prögel.
Emden, M., & Sumfleth, E. (2012). Prozessorientierte Leistungsbewertung: Zur Eignung einer Protokollmethode für die Bewertung von Experimentierprozessen. MNU, 65(2), 68–75.
Grupe, H. (1977). Biologie-Didaktik. Aulis-Verlag.
Höhnle, S., & Schubert, J. C. (2016). Hindernisse für den Einsatz naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen im Geographieunterricht aus Studierendenperspektive – Ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Studie mit Lehramtsstudierenden. GW-Unterricht, 142/143(2-3), 153–161. https://dx.doi.org/10.1553/gw-unterricht142/143s153
Lethmate, J. (2006). Experimentelle Lehrformen und Scientific Literacy. Praxis Geographie, 36(11), 4–7.
Obermann, H. (1997). Modellexperiment zur Flussbegradigung. Praxis Geographie, 27(1), 12–14.
Otto, K.-H. (2003). Experimentieren im Geographieunterricht. geographie heute, 24(208), 2–7.
Regenbogen, A., Meyer, U., Kirchner, F., Michaelis, C., & Hoffmeister, J. (1998). Wörterbuch der philosophischen Begriffe (Philosophische Bibliothek, Bd. 500). Felix Meiner Verlag.
Peter, C. (2017). Experimentelles Arbeiten im Geographieunterricht: Forschungsergebnisse und Folgerungen für den Geographieunterricht. In L. Mönter, K.-H. Otto, & C. Peter (Hrsg.), Experimentelles Arbeiten. Beobachten, untersuchen, experimentieren (S. 10–13). Westermann.
Schöps, A., & Fuss, G. (2018). Wasserspeicherfähigkeit und Bodenarten. In A. Schöps, & G. Fuss (Hrsg.), Erdkunde experimentierend erleben: Einfache, schüleraktivierende Versuche mit vertiefenden Arbeitsblättern zu Klima, Wasser und Boden (S. 34-37). Auer Verlag.
Wilhelmi, V. (2000). Experimente im Geographieunterricht. Praxis Geographie, 30(9), 4–7.
Wittlich, C. (2012). Ohne Eis wird's heiß! Ein einfacher Experimentiervorschlag zu einem komplexen Thema. Praxis Geographie, 42(7-8), 24–26.
Ausgewählte Anwendungsbeispiele im GEO-Exkursionsportal
Dienststelle Volksschulbildung (o. D.). Wie stark wollen wir in die Natur eingreifen? https://entdecke.lu.ch/show/3-4-klasse/EingriffNatur
Fischer, G. (2012). Experimentelle Navigation: Navigationsmethoden auf dem Prüfstand. Praxis Geographie, 42(7-8), 14–18.