Direkt zum Inhalt


Beobachten

Unter einer (wissenschaftlichen) Beobachtung wird eine zielgerichtete, systematische und regelgeleitete Erfassung, Dokumentation und Interpretation von Merkmalen, Prozessen oder Verhaltensweisen mithilfe menschlicher Sinnesorgane zum Zeitpunkt ihres Auftretens verstanden (in Anlehnung an Döring & Bortz, 2016, S. 324; Frank, 2013, S. 25). Jeder Beobachtung liegt mindestens ein Kriterium zu Grunde, unter dem beobachtet wird. „Mit einem solchen Kriterium ist die Erkenntnismethode des Beobachtens von Anfang an durch Hypothesen und Theorien geleitet, also auf vorhergehende Erkenntnisse bezogen“ (Duit et al., 2007, S. 10). Hierin unterscheiden sich wissenschaftliche Beobachtungen von Alltagsbeobachtungen und zufälligen Entdeckungen (Duit et al., 2007). Mit Beobachtungen können sowohl qualitative (z. B. durch Interviews) als auch quantitative (z. B. durch Zählung) Daten erhoben werden. Sobald jedoch in ein Objekt oder Prozess eingegriffen wird oder Messinstrumente zum Einsatz kommen, handelt es sich um eine Untersuchung. Beobachtungen können vielgestaltig sein. Zu den zentralen Klassifikationskriterien der empirischen Sozialforschung gehören beispielsweise: der Strukturierungsgrad, der Gegenstand (Fremd- versus Selbstbeobachtung), die Direktheit (direkt versus indirekt – ohne Kontakt wie Posts in Foren – bzw. Verhaltensspuren), der Ort (Lebensumfeld, Labor, online), die Involviertheit der Beobachterrolle (nicht-teilnehmend versus teilnehmend) und die Transparenz der Beobachtung (offen versus verdeckt) (Döring & Bortz, 2016, S. 328f.). Bei einer wissenschaftlich ausgerichteten Beobachtung werden idealtypisch folgende Schritte durchlaufen (eigene Darstellung, verändert nach Frank, 2023, S. 25; Borsdorf, 2019, S. 41):

Schrittfolge

  1. Formulierung der zugrundeliegenden Fragestellung
  2. Aufstellen von Hypothesen
  3. Planung der Beobachtung (Festlegen von Kriterien wie Beobachtungsobjekten und -einheiten, Datenart (qualitativ/quantitativ), Zeitpunkt(en), Standort(en), Art und Weise der Erfassung (sehen, hören, riechen etc.) und der Dokumentation (z. B. Notiz, Tabelle, Karte, Skizze, Video, Fotos)
  4. Durchführung der Beobachtung und Dokumentation
  5. Datenanalyse (Interpretation unter Rückbezug zu den Hypothesen sowie der Fragestellung, Schlussfolgerung)
  6. Reflexion (Transfermöglichkeiten, Kontrastierung mit Statistiken, Methodenreflexion)

Beim Einsatz der Beobachtung im Geographieunterricht ist für ein wissenschaftspropädeutisches Arbeiten von Bedeutung, dass Schülerinnen und Schüler zum einen lernen, bei der Dokumentation des Beobachteten präzise Formulierungen zu verwenden (Duit et al., 2007, S. 11). Dies erfordert mitunter eine vorherige theoretische Beschäftigung (im Unterricht) mit den voraussichtlichen Inhalten, damit die Lernenden bei ihrer Beschreibung passendes (Fach-)Vokabular verwenden können (Schallhorn, 2007, S. 37). Zum anderen sollte eingeübt werden, eine klare Trennung zwischen Beobachtung und Deutung vorzunehmen (Duit et al., 2007, S. 11). Ebenso sollte in der Methodenreflexion diskutiert werden, inwiefern Beobachtungen von Subjektivität geprägt sind (Döring & Bortz, 2016, S. 328; Frank, 2023, S. 26) und inwiefern durch Beobachtungen nur Teilaspekte von Phänomenen und Prozessen erschlossen werden können (Borsdorf, 2019, S. 41). 
Die Methode der Beobachtung kann auf geographischen Exkursionen vielfältig eingesetzt werden, um Einsichten in physiogeographische und/oder humangeographische Strukturen und Prozesse zu erlangen. Beobachtet werden können zum Beispiel Landschaftsstrukturen (z. B. Flussverläufe, Relief, Vegetationsverteilungen), Erosions- und Akkumulationsprozesse (z. B. Erdrutschungen, Sedimentation in Flüssen), hydrologische Prozesse (z. B. Abfluss, Stauung, Infiltration), Wetterphänomene (z. B. Grad der Bewölkung, Regenbogen), Bebauungsstrukturen (z. B. Gebäudehöhe, Versiegelungsgrad), Nutzungsstrukturen (z. B. Gebäudenutzung, Trittpfade). Beobachtungen sind unter anderem fester Bestandteil von Kartierungen und der Spurensuche (Frank, 2023, S. 26).
 

Literatur

Borsdorf, A. (2019). Geographisch denken und wissenschaftlich arbeiten. Springer.

Döring, N., & Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Springer.

Duit, R., Gropengießer, H., & Stäudel, L. (Hrsg.) (2007). Naturwissenschaftliches Arbeiten: Unterricht und Material 5-10. Friedrich.

Frank, F. (2023). Beobachtung im Gelände. In D. Böhn, & G. Obermaier (Hrsg.), Wörterbuch der Geographiedidaktik: Begriffe von A-Z (S. 25). Westermann.

Schallhorn, E. (2007). Erdkunde-Methodik: Handbuch für die Sekundarstufe I und II. Cornelsen Scriptor.


Ausgewählte Anwendungsbeispiele im GEO-Exkursionsportal

Claaßen, K. (1987). Wenn das Wasser an der Uferböschung knabbert: Über die morphologische Arbeit mit einer 8. Klasse zum Thema Mäanderbildung auf einem Wandertag. geographie heute, 8(56), 31-33.

Heinrich Schoch, Y., Reuschenbach, M., & Hürlimann, M. (2015). Auf die Perspektive kommt es an: Schau genau! Räume differenziert beobachten und wahrnehmen. geographie heute, 36(324), 18-21.

Peter, C., Bessel, A., & Bengel, P. (2020). Naturschutz durch Naturbeobachtung: Ein Exkursionskonzept zur Strukturdiversität am Beispiel Totholz. Praxis Geographie, 40(5), 17-21.

Schmidt, M. (2005). Der Wochenmarkt - ein außerschulischer Lernort: Schüler als Konsumenten auf Erkundung. Praxis Geographie, 35(10), 12-16.